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Interview Marius Löwe

Wie ist deine Rolle im E-Sport?

Ich bin seit 2016 im organisierten E-Sport aktiv. Während meines Studiums an der Sporthochschule Köln habe ich dort ein Hochschulteam gegründet und beim Forschungsprojekt „eSportwissen.de“ mitgearbeitet. Aus dem Hochschulteam habe ich 2020 den Verein, „E-Sport Cologne“ gegründet, dessen Vorsitzender ich heute bin, aktuell haben wir 300 Mitglieder. 2021 habe ich dann den Landesverband für E-Sport Nordrhein-Westfalen mitbegründet, dort bin ich heute 1. Vizepräsident. Im Hauptberuf habe ich auch mit dem Thema E-Sport zu tun, ich bin Geschäftsführer einer E-Sport Organisation, den „Angry Titans“ in Krefeld.

Du bist also selbst auch E-Sportler, oder?

Amateur E-Sportler vielleicht, aber ich bin sicher kein Profi. Ich spiele ganz gerne amateurhaft, mit den Profis habe ich in erster Linie durch meinen Beruf zu tun.

Wie bist Du zum Thema E-Sport gekommen?

Ich habe in meiner Jugend gerne und viel gezockt, habe aber auch etliche Jahre Sport im Verein gespielt. Handball, Fußball, Tennis und so weiter – Sport ist immer schon zentrale Komponente in meinem Leben gewesen. Mir ist aufgefallen, dass das Wertekonstrukt des Sports  – Fairplay, sich miteinander messen – sich genauso auf den E-Sport übertragen lässt, es fehlt eben die Körperlichkeit. Dass der E-Sport bewegungsarm ist, hat es in der Vergangenheit schwer gemacht, E-Sport als Sport anerkennen zu lassen. Dafür ist der E-Sport extrem kognitiv geprägt.

Stichwort: Schach ….

Ja, der Fall ist ähnlich gelagert. Es gibt noch andere Sportarten, die vergleichbar wenig bewegungsintensiv sind. Trotzdem gilt Schach im rechtlichen Sinne als Sport. Was viele nicht wissen: Schach wird im gemeinnützigkeitsrechtlichen Sinne als Sport behandelt. Im Fachjargon: Schach genießt eine sogenannte Sportfiktion. Genau das möchten wir mit dem Landesverband auch für den E-Sport erreichen. So könnten auch Sportvereine E-Sport betreiben, ohne ihren Satzungszweck ändern zu müssen.

Geht es dabei auch um finanzielle Unterstützung?

Sicher, das spielt auch eine Rolle. Aber erst einmal wäre es ein riesengroßer Schritt, die Entwicklung des E-Sports positiv zu beeinflussen, indem die Steuervergünstigungen für die Gemeinnützigkeit für den E-Sport bereitgestellt würden. Geschieht das über die Förderung des Sports, kommt dies auch Sportvereinen zugute, die ja durch das Merkmal Sport gemeinnützig sind. Im Moment sehen wir, dass viele Sportvereine dem E-Sport gegenüber noch zurückhaltend sind, weil sie fürchten, das könnte als gemeinnützigkeitsschädlich gewertet werden. Ein Sportverein, dem die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, kann im Grunde seine Tore schließen.

Wie wollt ihr dieses Problem lösen?

Wir vom Landesverband arbeiten gerade mit dem Landtag in Düsseldorf daran, den Finanzämtern eine gemeinsame Lesart vorzuschlagen, die den E-Sport betrifft. Darin soll ganz klar festgehalten sein, dass E-Sport nicht als gemeinnützigkeitsschädlich für Sportvereine zu werten ist. Wenn uns dies gelingt, rechnen wir damit im ersten Halbjahr 2023. Um den E-Sport selbst als gemeinnützig anzuerkennen, braucht es dann aber die Bundesregierung, denn es Bedarf einer Änderung der Abgabenverordnung (A0). Wir rechnen damit, dass sich hier in den kommenden ein, zwei Jahren etwas bewegen wird, schließlich steht es ja auch im Koalitionsvertrag.

Also heißt es für Sportvereine Geduld haben…

Jein..Für Sportvereine, die jetzt schon mit dem E-Sport loslegen wollen, aber um ihre Gemeinnützigkeit fürchten, besteht natürlich auch jetzt schon die Möglichkeit, einen entsprechenden Zweigverein zu eröffnen. Vielleicht gibt es im Umfeld des eigenen Sportvereins ja auch schon reine E-Sportvereine, die als Schwesterverein angegliedert werden könnten. Wir sehen und begrüßen das bereits am Beispiel des SC Paderborn 07 e.V. und Paderborn E-Sports e.V.

Was wünscht ihr euch von den Sportvereinen, wieso würdet ihr gerne Teil der Vereinsstrukturen werden? Welchen Benefit kann der E-Sport den Vereinen bringen?

Wir erkennen zunehmend, dass es einen großen Bedarf in der Gesellschaft gibt, E-Sport zumindest in einem geregelten Rahmen zu betreiben – da sind Sportvereine natürlich naheliegend. Die Infrastruktur, die Sportvereine mitbringen, haben sehr Vieles, was wir für den E-Sport brauchen: Übungsleiter*innen und Trainer*innen, die erfahren sind, Methoden zur Wissensvermittlung kennen. Die neue C-Lizenz für den E-Sport zeigt, dass dort sehr Vieles aus dem Sport abgeleitet ist. Ich glaube, dass beide Bereiche voneinander profitieren können. E-Sportler würden nach ihrem Training sicherlich gerne auch mal einfach auf dem Sportplatz ein paar Bälle kicken, Ballsportler könnten sich als Ausgleich mal in ihrem Team im E-Sport ausprobieren. Sport oder E-Sport – das muss sich nicht ausschließen.

Welche Summen müsste ein Sportverein denn investieren, um überhaupt E-Sportler als Mitglieder gewinnen zu können?

Der finanzielle Aufwand ist gar nicht so hoch. Es geht eher um personellen und auch ideellen Einsatz. Im ersten Schritt muss der Vereinsvorstand davon überzeugt werden, in Sachen E-Sport mitzumachen. Dann geht es darum, jemanden zu finden, der Verantwortlichkeit übernimmt. Wir haben in Köln unseren eigenen Verein gegründet, wir hätten das aber auch als Sparte eines schon bestehenden Vereins aufsetzen können. Das Geld ist nicht der größte Faktor: viele Spiele sind kostenlos, Spieler können – wenn die Ausrüstung vorhanden ist – einfach von zuhause aus spielen. Aber natürlich soll es auch niedrigschwelligen Zugang für Menschen geben, die sich das entsprechende Equipment nicht leisten können. Um einen Spielbetrieb in Präsenz zu gewährleisten, müsste man wohl etwa 10.000€ in die Hand nehmen. Wobei einmal angeschafftes Equipment ja durchaus auch von mehreren Teams genutzt werden könnte. Für unseren Kölner Verein haben wir noch nicht einmal ein Vereinsheim, aber schon 300 Mitglieder. Es geht also auch ressourcenarm. Der Spiel- und Trainingsbetrieb läuft im Grunde bei den Leuten am heimischen Rechner, aber für soziale Aktivitäten kommt man zusammen.

Und die Übungsleiter? Die könnte man alle aus anderen Sparten zum E-Sport holen?

Etwa 80 Prozent der Kompetenzen, die ein Übungsleiter für seine Tätigkeit braucht, sind in Sport und E-Sport deckungsgleich. Trotzdem braucht es natürlich spezifisches Wissen für die einzelnen E-Sport Spiele. – hier können wir behilflich sein.

Ganz praktisch gedacht: Angenommen, ich bin in meiner Stadt im Sportverein aktiv und will jetzt eine Sparte für den E-Sport eröffnen. Wo finde ich Mitglieder?

Da gibt es zwei Perspektiven, die Bindung der aktiven Mitglieder und die Gewinnung neuer Mitglieder. Die Bindung aktiver Mitglieder ist meiner Meinung nach sehr stark, denn erfahrungsgemäß freuen sich zum Beispiel viele Mitglieder aus Fußballvereinen, zusätzlich zum üblichen Training mal ein E-Training einzubauen. Gerade für junge Menschen sind die Themen E-Sport und Gaming ja durchaus wichtig und angesagt. Und stellen wir uns mal ganz praktisch vor, dein Verein wolle jetzt in Sachen E-Sport nach vorne gehen. Dann braucht es einen Hauptverantwortlichen, der ein Konzept erarbeitet und Werbung macht. Das geht zum Beispiel mit einem Tag der offenen Tür oder einem kleinen Video für Social Media. E-Sport ist den „herkömmlichen“ Sportvereinen gerade in Sachen Internet und Social Media oft um Einiges voraus. Nach und nach kann dann im Verein ein Team aufgebaut werden. Da reichen oft schon fünf Leute, die Lust haben, einmal in der Woche gemeinsam zu spielen.

Die Schwierigkeit besteht also gar nicht darin, interessierte Mitspieler*innen zu finden, sondern darin, eine hauptverantwortliche Person im Sportverein zu benennen?

Genau, das steht immer ganz am Anfang. Es braucht da einfach jemanden, der richtig Bock auf E-Sport hat!

Vorurteil oder nicht: E-Sport ist vor allem männlich geprägt, oder?

Tendenziell schon, ja. Im E-Sport sehen wir im Moment 90 Prozent Männer. Beim Gaming ist das Geschlechterverhältnis aber schon ausgewogener, etwa 60 zu 40. Es gibt allerdings auch im E-Sport immer mehr reine Frauenteams. Klar, wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen, aber es bewegt sich etwas. Die Gamingkultur ist generell sehr offen und tolerant, es gibt zum Beispiel Turniere extra für queere Menschen.

Das ist doch eine gute Nachricht für die Sportvereine, dass es also erstmal gar nicht um große Investitionen geht, um einen Präsenzbetrieb aufzubauen, sondern darum, Menschen zu finden, die Spaß am E-Sport haben und sich darin ausprobieren möchten.

Genau, das ist auch unsere Botschaft an die Sportvereine. Es bietet sich doch zum Beispiel einfach eine Befragung in den Reihen der eigenen Mitglieder an: Hättet ihr Lust, mal E-Sport auszuprobieren? Lohnt sich vielleicht ein Infoabend? Weiteres Argument für die Vereine: E-Sport ist extrem inklusiv. Denn Geschlecht, Physis, Kraft spielen im E-Sport ja gar keine Rolle. Ob der Mensch, der am anderen Rechner sitzt, viel größer oder stärker ist als ich, vielleicht körperliche Einschränkungen hat, ist fast immer völlig egal.

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